Weiterer Meilenstein für die Gießener Energiewende

Weihten mit der TREA 2 Gießens modernstes Kraftwerk offiziell ein (von links): Matthias Funk, technischer Vorstand der Stadtwerke Gießen (SWG), Oberbürgermeisterin Dietlind Grabe-Bolz, Jens Schmidt, kaufmännischer Vorstand der SWG, Astrid Eibelshäuser, Aufsichtsratsvorsitzende der SWG, Regierungspräsident Dr. Christoph Ullrich, Prof. Olaf Berger, Vizepräsident der Technischen Hochschule Mittelhessen (THM), Prof. Dr. Fritz Richarts, emeritierter Professor der THM, Matthias Fink, Leiter Wärmeversorgung bei den SWG und Jens Hanig, verantwortlicher Projektleiter der SWG.

Gießen ist um ein leistungsstarkes und CO2-neutrales Heizkraftwerk reicher: Am 12. April weihten die Stadtwerke Gießen die zweite Thermische Reststoffbehandlungs- und Energieverwertungsanlage ein. Sie wird künftig<ins> bis zu</ins> neun Prozent des Jahresbedarfs der Gießener Fernwärmekunden decken und zusätzlich Strom für etwa <ins>10.000</ins> Haushalte liefern.

Abfall in kostbare Wärme zu verwandeln, ist in Gießen an der Tagesordnung. Schon seit 2010 trägt die Thermische Reststoffbehandlungs- und Energieverwertungsanlage (TREA) entscheidend dazu bei, dass Gießen deutschlandweit zu den Pionieren in puncto klimaschonende Wärmeversorgung zählt. Diesen Status bauen die Stadtwerke Gießen (SWG) jetzt noch weiter aus – dank der heute offiziell eingeweihten TREA 2. „Mit dieser deutlich weiterentwickelten Anlage betreten wir Neuland“, erklärt Matthias Funk, technischer Vorstand der SWG, anlässlich der kleinen Feier. Tatsächlich gibt es hierzulande kein einziges vergleichbares Heizkraftwerk.

Wärme und Strom

Müll-Heizkraftwerke an sich sind nichts Neues. Aber die SWG-Ingenieure haben sich der Thematik auf eine andere Art und Weise genähert und so nicht weniger als einen neuen Kraftwerkstyp entwickelt. Das Problem: Hohe Dampftemperaturen, wie sie für die Stromproduktion nötig sind, führen zu Korrosion im Kessel. Das noch ungereinigte Abgas aus der Verbrennung des Abfalls mit seinen sauren Bestandteilen würde den Effekt dramatisch verstärken. Um diese übermäßige Korrosion zu verhindern, galt es, eine andere Methode zu finden, mit der sich der Dampf auf die gewünschte Temperatur bringen lässt. „In der TREA 2 bewerkstelligen wir das mit zwei erdgasbetriebenen Blockheizkraftwerken (BHKW)“, ergänzt Matthias Funk. Die heißen Abgase dieser effizienten Aggregate erhitzen den Dampf auf über 400 Grad Celsius und damit auf eine Temperatur, die sich für die Stromproduktion eignet.

Strom und Wärme für Tausende Haushalte

Die neue Kombination bewährter Komponenten bietet viele Vorteile. Neben ihrer hohen Effizienz überzeugt die TREA 2 vor allem durch ihre Flexibilität: „Wir können die Anlage im Bereich von 1,3 bis 5,6 Megawatt elektrische Leistung fahren. Das ermöglicht uns, sehr gut auf den aktuellen Strombedarf oder aber auf die jeweilige Marktsituation zu reagieren“, bringt es Matthias Funk auf den Punkt. Ebendies macht die TREA 2 nicht nur aus ökologischer, sondern auch aus ökonomischer Sicht zum Gewinner.

Die im Vorfeld angestellten Wirtschaftlichkeitsberechnungen beruhen auf echten Erfahrungen – mit der ersten TREA sowie mit vielen anderen BHKW-Modulen – und sprechen eine klare Sprache: Bislang gehen die SWG-Experten von etwa 7.400 Stunden Jahreslaufleistung aus. Damit würde die TREA 2 den Wärmebedarf von bis zu 3.300 Einfamilienhäusern und den Strombedarf von rund 10.000 Durchschnittshaushalten decken.

Auch die letzte Kilowattstunde rausholen

Wie üblich haben sich die SWG-Spezialisten alle Details angesehen und in der TREA 2 vieles verbessert, was sich im Vorgänger als noch nicht optimal herausstellte. Ohnehin schon Positives übernahmen sie eins zu eins. So zum Beispiel nutzt auch die TREA 2 die im Abgas enthaltene Wärme, was immerhin acht bis neun Prozent zusätzliche Ausbeute bringt. Auch die bereits bewährte Abgasreinigung findet in der TREA 2 Anwendung. Allerdings setzen die SWG hier statt des vergleichsweise teuren Hydrogencarbonats – besser als Backpulver bekannt – günstiges Kalkhydrat ein. „Das führt zu exakt gleich sauberen Werten im Abgas, senkt aber die Betriebskosten enorm“, freut sich Matthias Funk.

Regierungspräsident Dr. Christoph Ullrich ging in seinem Grußwort auf die gute Umweltbilanz der TREA 2 ein: „Eine nachhaltige Energieversorgung und eine schlüssige Entsorgungsstruktur sind heute unerlässlich. Die TREA 2 schont die fossilen Ressourcen und verbessert die CO2-Bilanz der Energieerzeugung bei den SWG. Gleichzeitig entlastet sie die Verkehrswege, weil sie lange Transportwege für den Abfall überflüssig macht.“

Dass mit der TREA 2 schon die dritte Erzeugungsanlage so nah an einem Wohngebiet genehmigt wurde, können die Verantwortlichen bei den SWG durchaus als Erfolg verbuchen. „Wir haben von Anfang an mit offenen Karten gespielt, alle Interessengruppen miteinbezogen und alle Fragen beantwortet“, beschreibt Matthias Funk das Vorgehen. Tatsächlich gab es keinen einzigen Einwand gegen die Genehmigung des Projekts vonseiten der Bevölkerung. „Diese Transparenz war vorbildlich und ganz wichtig dafür, dass wir in Gießen jetzt über ein weiteres, extrem effizientes Heizkraftwerk verfügen“, freut sich Oberbürgermeisterin Dietlind Grabe-Bolz anlässlich der Einweihung.

Beeindruckende Werte

Mit der TREA 2 haben die SWG einen wichtigen Schritt in Richtung Energiewende in Mittelhessen gemacht. Wie Zahlen belegen: Die Anlage ersetzt pro Jahr 7.000.000 Liter Heizöl, was einer CO2-Einsparung von 25.000 Tonnen jährlich gleichkommt. Auch der Primärenergiefaktor der Gießener Fernwärme entwickelt sich positiv. Mit der Aufnahme des Regelbetriebs wird ihn die TREA 2 von schon guten 0,28 auf dann 0,2 drücken. Der Faktor gibt an, in welchem Verhältnis die eingesetzten fossilen Energieträger zur produzierten Wärme stehen. Für Gießen bedeutet dies, dass die SWG künftig nur noch 0,2 Kilowattstunden Primärenergie für jede erzeugte Kilowattstunde Wärme aufwenden müssen.

Diese beeindruckenden Zahlen kommen nicht von ungefähr. Wie für die TREA 1 haben die SWG auch bei der TREA 2 auf die Beratung der Technischen Hochschule Mittelhessen (THM) gesetzt. „Mein Kollege Professor Dr. Fritz Richarts half etwa bei den technischen Berechnungsmodellen“, erklärte Professor Olaf Berger, Vizepräsident der THM, in seiner Rede. Darin hob er zudem die vielen verschiedenen anderen erfolgreichen Kooperationen zwischen den SWG und der THM hervor.

Blick hinter die Kulissen

Ab sofort bieten die SWG für interessierte Bürgerinnen und Bürger kostenlose Touren durch die beiden TREA an. Sie sind für Erwachsenengruppen und Schulklassen ab dem 7. Schuljahr gleichermaßen geeignet. Wie gewohnt organisieren die SWG einen Bustransfer von der Lahnstraße zu den Kraftwerken und zurück. Anmeldung und weitere Details finden sich unter: www.swg-konzern.de/besichtigungen

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