Von einer soliden Basis aus die Zukunft ins Visier nehmen

Die Stadtwerke Gießen haben sich erfolgreich vom reinen Energieversorger zum Dienstleister für Energie und Lebensqualität in der Region entwickelt. Den eingeschlagenen Weg geht das Unternehmen auch künftig konsequent weiter.
Während der Bilanzpressekonferenz am 27. Juni warfen die Verantwortlichen bei den SWG einen Blick nach vorne und präsentierten aktuelle Erfolge sowie die Meilensteine 2016.


Energiewende und Digitalisierung – zwei große Herausforderungen, denen sich Unternehmen wie die Stadtwerke Gießen (SWG) aktuell stellen müssen. Beide Themenkomplexe erfordern eine hohe Innovationskraft von Energieunternehmen und bieten gleichzeitig enorme Chancen. Schließlich geht es sowohl bei der Energiewende als auch bei der Digitalisierung darum, die Zukunft mitzugestalten. Wo sich die SWG auf dem Weg dorthin befinden, präsentierten die Vorsitzende des Aufsichtsrats Astrid Eibelshäuser sowie die beiden Vorstände Matthias Funk und Jens Schmidt bei der Bilanzpressekonferenz am 27. Juni im Hauptgebäude der Stadtwerke Gießen.
Trotz der gewaltigen Umwälzungen auf dem Energiemarkt legte das Unternehmen erneut positive Zahlen für das Geschäftsjahr 2016 vor. Zwar ging der Jahresüberschuss im Vergleich zu 2015 zurück, am Ende steht jedoch wieder ein deutliches Plus von 4,635 Millionen Euro. Hiervon schütten die Stadtwerke Gießen 2,5 Millionen Euro an die Stadt Gießen – die Eigentümerin der SWG – aus.

Stabiler Absatz bei Energie
Beim Absatz von Wärme, Kälte und Dampf legten die SWG 2016 erneut zu – auf 456 Gigawattstunden (GWh). Der Umsatz in dieser Sparte kletterte auf rund 37 Millionen Euro.
Der Stromabsatz ging im Vergleich zum Rekordjahr 2015 nur leicht auf 1.694 GWh zurück, der Umsatz reduzierte sich auf 265 Millionen Euro.
Auch beim Gas verzeichneten die SWG einen leichten Absatzrückgang auf 1.300 GWh bei einem Umsatz von 57 Millionen Euro.

Ausrichtung für die Zukunft
Mit ihrer Strategie der vergangenen Jahre haben sich die SWG bereits bestens für das veränderte Umfeld auf dem Energiemarkt aufgestellt. „Es geht mittel- und langfristig unter anderem darum, moderne Servicedienstleistungen rund um Energie, Freizeit und Mobilität voranzubringen. Hierbei spielen innovative Ideen und die Digitalisierung eine entscheidende Rolle“, betonte Jens Schmidt, Kaufmännischer Vorstand der SWG. Matthias Funk, Technischer Vorstand der SWG, ergänzte: „Als Energieunternehmen mit starken Wurzeln in der Region verfügen wir bereits über zahlreiche Stärken, die wir für die anstehenden Aufgaben benötigen.“ Beide Vorstände sind sich einig: Das stabile Fundament im ureigenen Geschäft und die heutige Ausrichtung bilden die Basis für einen erfolgreichen Weg in die Zukunft als breit aufgestelltes Dienstleistungsunternehmen.
Zum Fundament gehört unter anderem der stetig wachsende Anteil des Stroms, den die Stadtwerke Gießen in der Region klimaschonend produzieren. Ein Meilenstein in dieser Hinsicht: die zweite Thermische Reststoffbehandlungs- und Energieverwertungsanlage (TREA 2). Noch 2017 soll sie in vollem Umfang in Betrieb gehen, seit Dezember 2016 laufen bereits die beiden Blockheizkraftwerke (BHKW). Im Endausbau wird die TREA 2 den Wärmebedarf von bis zu 4.200 Einfamilienhäusern sowie den Strombedarf von rund 13.500 Durchschnittshaushalten decken und den CO2-Ausstoß gegenüber der herkömmlichen Energieerzeugung um jährlich rund 28.000 Tonnen senken. Darüber hinaus stammt der Brennstoff – aufbereiteter Abfall – aus der Region. Einen weiteren wesentlichen Vorteil fasst Matthias Funk zusammen: „Die Gesamtanlage ist extrem variabel. Wir können mit ihr ganz flexibel auf den jeweiligen Strombedarf beziehungsweise die aktuelle Marktsituation reagieren und so besonders wirtschaftlich elektrische Energie erzeugen.“

Kooperationen und innovative Ideen
Astrid Eibelshäuser hob bei der Bilanzpressekonferenz die Zusammenarbeit der SWG mit Akteuren wie der Technischen Hochschule Mittelhessen (THM) hervor: „In zahlreichen Kooperationen zeigten die beiden, welches Potenzial in solchen Partnerschaften steckt.“
In einem der Projekte geht es um die Frage nach möglichen Stromspeichertechnologien. THM und SWG arbeiten an einer Lignin-Redox-Batterie. Diese basiert auf organischen Verbindungen – den in nahezu allen Pflanzen der Erde vorkommenden Ligninen. Lignine verfügen über die Eigenschaft, in gelöster Form Strom speichern zu können. „Wir warten nicht ab, bis sich andere ein funktionierendes System ausdenken, sondern übernehmen selbst die Vorreiterrolle. Wer dauerhaft bestehen möchte, muss mutig vorangehen“, betonte Jens Schmidt. Diese Aussage trifft auch auf die Testanlage zu, die CO2 und Schwermetalle in der Asche aus den beiden TREA binden soll. Carbonatisierung nennt sich der Prozess, der in der Testanlage besonders schnell abläuft. Ein weiteres Pilotprojekt belegt: Sogar Klärschlämme können als Brennstoff in den TREA zum Einsatz kommen. In getrockneter Form weisen sie etwa einen Energiegehalt wie Braunkohle auf, setzen jedoch kein zusätzliches CO2 frei. Zudem ließen sich aus den Rückständen der Verbrennung die im Klärschlamm enthaltenen Phosphate zurückgewinnen und zur Düngemittelproduktion verwenden. „Eventuell ein künftiges Geschäftsmodell“, kündigte Matthias Funk an.
Am Einstieg in neue Bereiche arbeiten die Stadtwerke Gießen auch auf einigen weiteren Feldern – zum Beispiel in Form der GründerWerkStadt. Die Idee dahinter brachte Jens Schmidt bei der Bilanzpressekonferenz auf den Punkt: „Wir helfen kreativen Menschen dabei, innovative Unternehmen auf dem Markt zu etablieren. Damit schaffen wir einen Mehrwert für alle Seiten und stärken den Gründergeist sowie die Innovationskraft in der Region.“ Bei den bisherigen Start-ups handelt es sich unter anderem um junge Firmen, die sich mit Dienstleistungsanwendungen für Smartphones, der digitalisierten Datenerfassung bei Wartungsarbeiten oder neuen Technologien zur Fahrgastzählung im öffentlichen Nahverkehr befassten.
Auch wenn im alltäglichen Geschäft der SWG Energiefragen derzeit im Vordergrund stehen – als Dienstleister werden künftig zahlreiche weitere Aufgaben hinzukommen. Matthias Funk verwies in diesem Zusammenhang auf den Wert der GründerWerkStadt: „Manch eine Lösung entsteht vielleicht gerade in den kreativen Köpfen hier bei uns. Wir bieten den Raum, um genau das zu förden.“

Mobil und digital in die Zukunft
Die GründerWerkStadt und die Kooperationen mit der THM zeigen die Strategie, auf deren Basis die SWG Herausforderungen angehen. Zur Ausrichtung gehört auch, dass das Unternehmen Gießen und die Region in Sachen digitale Infrastruktur voranbringt – etwa durch das frei zugängliche WLAN in der Gießener Innenstadt, im Badezentrum Ringallee, in den beiden Freibädern Kleinlinden und Lützellinden sowie in mehreren Kommunen des Landkreises Gießen. Dazu Jens Schmidt: „Heute kommunizieren die Menschen überall digital miteinander – das Smartphone gehört zum Alltag. Mit dem öffentlichen WLAN bieten wir allen einen schnellen und kostenlosen Zugang ins Internet. Wir haben uns ganz bewusst dazu entschieden, uns auf diesem zunehmend wichtigen Gebiet weiterzuentwickeln.“
Das gilt ebenso für den Service, den die SWG ihren Kunden im Internet anbieten. Erst kürzlich hat das Unternehmen seine Website rundum erneuert. Ein neues Design und eine komplett überarbeitete Struktur erhöhen die Nutzerfreundlichkeit – egal ob zu Hause vor dem großen Bildschirm oder unterwegs auf dem Smartphone. „Wir stehen für persönlichen Service vor Ort und helfen bei Fragen jederzeit im Kundenzentrum weiter. Ein innovatives Dienstleistungsunternehmen zeichnet sich aber erst dadurch aus, dass es einen ebenso guten Service auch online bietet“, unterstrich Matthias Funk.
Im Bereich Elektromobilität hat sich während der vergangenen Jahre ebenfalls einiges getan. Neben den Stromtankstellen auf dem Besucherparkplatz in der Lahnstraße und auf dem Parkplatz vor dem Badezentrum Ringallee bieten die SWG seit 2016 unter dem Namen „DrivE“ ein spezielles Stromprodukt an. „Wir wollen für Kundinnen und Kunden die Attraktivität des Einstiegs in die E-Mobilität erhöhen“, erläuterte Jens Schmidt. Wer sich für „DrivE“ entscheidet, erhält von den SWG ausschließlich Gießener Grünstrom zum günstigen Preis – inklusive einer Preisgarantie von 24 Monaten. Gleichzeitig sichert sich jeder die Einkaufsvorteile für einen modernen Elektroroller von unu und erhält nach der Anschaffung Strom für umgerechnet 10.000 Kilometer Fahrspaß.

Querdenken und weiterentwickeln
Neue Dienstleistungen und neue Geschäftsfelder – all das erfordert, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter weiterzuentwickeln. „Auch wenn es wie eine Floskel klingt: Unsere wichtigste Ressource sind die Menschen, die bei uns arbeiten“, machte Matthias Funk deutlich. Jens Schmidt führte weiter aus: „Wir behaupten das nicht nur, sondern wir leben auch nach dieser Prämisse.“
Die stetige Weiterbildung von Fachkräften zählt daher zu den Grundpfeilern der Unternehmensphilosophie bei den SWG. Zudem ist Querdenken nicht nur erlaubt, sondern ausdrücklich erwünscht. Hierzu haben die Stadtwerke Gießen sogar den sogenannten Querdenker-Workshop eingeführt. „Es geht uns darum, bestehende Denkmuster aufzubrechen und kreativ ans Werk zu gehen, um neue Produkte zu entwickeln“, erläuterte Jens Schmidt. Die Mitarbeiter der SWG haben während der bisherigen Workshops schon unzählige Ideen eingebracht. Einige davon befinden sich derzeit in der internen Testphase.
Matthias Funk verwies darauf: Wir denken gemeinsam weiter und feilen an den passenden Lösungen, mit denen wir Kunden helfen. Nicht selten braucht es ein individuelles Konzept – etwa bei den Energiedienstleistungen, die wir unter dem Namen En5 anbieten.“ Mehr als 100 Geschäftskunden profitieren heute von der Erfahrung der SWG auf dem Gebiet der Energieeffizienz und der Kraft-Wärme-Kopplung. Auch 2016 hat das Unternehmen wieder mehrere größere Projekte umgesetzt, darunter beispielsweise die komplette Modernisierung der Energieversorgung in der Fachklinik St. Marien in Bad Soden-Salmünster oder die Errichtung einer Nahwärmeversorgung im Baugebiet Am Breuerbergsweiher in Lich.
Darüber hinaus unterstützen die SWG Städte und Gemeinden dabei, ein kommunales Energiemanagement aufzubauen und so das vorhandene Sparpotenzial zu erschließen. „Wer seinen Strom- und Wärmebedarf reduzieren will, muss über die Verbräuche Bescheid wissen und den Baubestand genau unter die Lupe nehmen. Hierbei hilft ein dauerhaftes Energiemanagement“, erklärte Matthias Funk. In den ersten dreieinhalb Jahren begleiten die SWG Kommunen auf diesem Weg und befähigen sie, die Aufgabe anschließend selbst übernehmen zu können. Jens Schmidt machte deutlich: „Auch auf diesem Weg leisten wir einen Beitrag für den Klimaschutz in der Region. In der Kooperation mit der Stadt Gießen zeigt sich schon jetzt, dass sich sowohl Schadstoffausstoß als auch die Energiekosten teilweise drastisch senken lassen – mitunter im zweistelligen Prozentbereich.“

Weit mehr als Energie
Eine wichtige Funktion und Verantwortung übernehmen die SWG in Gießen und der Region auch abseits des Themas Energie. „Seit jeher unterstützen wir als Partner Vereine, Institutionen und öffentliche Einrichtungen – ein Engagement, das unseren Slogan ‚Mit Energie. Für die Region.‘ auf ganz besondere Weise zum Ausdruck bringt“, erklärte Jens Schmidt.
Astrid Eibelshäuser fügte hinzu: „Mit dem Betrieb des öffentlichen Nahverkehrs und der Bäder leisten die SWG ebenfalls einen wichtigen Beitrag für die Stadt Gießen und das Umland.“ Auch in diesen Sparten hat das Unternehmen 2016 und während der ersten Monate 2017 investiert, um Service und Dienstleistungen weiter zu verbessern und den Klimaschutz vor Ort voranzutreiben.
Unter anderem ersetzen noch 2017 vier neue Erdgas-Gelenkbusse veraltete Wagen aus dem Fuhrpark. Wie die bereits eingesetzten Erdgasfahrzeuge tanken sie Bioerdgas, wodurch der CO2-Ausstoß gegenüber modernen Dieselbussen um rund 81 Prozent sinkt. Der Komfort für Fahrgäste steigt ebenfalls: Noch in diesem Jahr verfügen sämtliche Busse über eine Vollklimaanlage. In welcher Form es bei der digitalen Ausstattung weitergehen könnte, zeigte vor einigen Monaten ein Testlauf für ein innovatives Ticketsystem der Zukunft. Während der Projektlaufzeit erhielten drei Buslinien ein frei zugängliches WLAN. „Wenn wir von etwas überzeugt sind, dann probieren wir es aus. Nur so lässt sich feststellen, ob eine Idee letztendlich auch funktioniert“, erklärte Matthias Funk.
Diesen Ansatz verfolgen die SWG auch mit einem neuen Angebot im Badezentrum Ringallee. Bis Oktober 2017 soll ein modernes Fitnessstudio entstehen. „Die Menschen aus Gießen und Umgebung können sich auf ein ganz besonderes Trainingserlebnis freuen. Wir vereinen Fitness und Schwimmen unter einem Dach“, fasste Jens Schmidt die Pläne zusammen. Als Partner hat das Unternehmen einen Experten auf diesem Gebiet mit ins Boot geholt. Bau und Betrieb des neuen Fitnessstudios übernimmt das Unternehmen Actic Fitness, zu dem rund 150 Sporteinrichtungen in Schweden, Norwegen und Finnland sowie 21 Studios im deutschsprachigen Raum gehören.

Umbau Gasnetz und Smart Meter
In den kommenden Jahren müssen sich die SWG zwei weiteren Herausforderungen stellen – die sich auch unmittelbar auf einen Teil der Kunden auswirken. Aktuell steht die Umstellung vom sogenannten L-Gas auf H-Gas an. Hintergrund: Die Niederlande drosseln ihre Erdgasförderung immer weiter. Die wegfallenden Mengen L-Gas müssen durch höherwertiges H-Gas aus dem Nahen Osten oder Russland ersetzt werden. Deshalb sind kleine Anpassungen an manchen Anlagen erforderlich. Wie viele Geräte das im Netzgebiet der SWG-Tochtergesellschaft MIT.N betrifft, prüft das Unternehmen derzeit. Der eigentliche Umbau steht 2019 und 2020 an, aktuell laufen die ersten Erhebungen zum Bestand in mehreren Kommunen. Jens Schmidt erläuterte dazu: „Wir informieren Kunden rechtzeitig über die anstehenden Arbeiten. Wenn es später an die Umstellung geht, reichen in vielen Fällen wohl kleinere Arbeiten aus. Ein Großteil der Haushalte ist gar nicht betroffen.“
Gleiches gilt derzeit für die Umrüstung von Stromzählern – den sogenannten Smart-Meter-Rollout, der ansteht. Während der kommenden zwei Jahrzehnte sollen Netzbetreiber die herkömmlichen Ferraris-Stromzähler überall gegen digitale Messgeräte austauschen. „Smart Meter werden in jedem Gebäude zum Baustein des intelligenten Stromnetzes. Hierzu hat die Bundesregierung das Messstellenbetriebsgesetz entsprechend geändert. Es regelt, wo die digitalen Zähler zu welchem Zeitpunkt eingebaut sein müssen“, beschrieb Jens Schmidt den Hintergrund zur Umrüstung.
Eine Pflicht besteht zunächst für Großverbraucher, Privathaushalte folgen erst zu einem späteren Zeitpunkt. „Mithilfe eines intelligenten Messsystems lässt sich Energie besonders effizient nutzen. Geräte im Haus lassen sich steuern, wodurch ein Smart Home entsteht“, erklärte Matthias Funk.
Ein Beispiel dafür: Kühlschränke erkennen dann, welche Lebensmittel zur Neige gehen und geben automatisch eine Bestellung auf. Die SWG-Vorstände machten deutlich, dass es sich dabei noch um Zukunftsmusik handelt. Mit dem Smart-Meter-Rollout schaffen die Stadtwerke Gießen heute jedoch die Infrastruktur für zukünftige neue Produkte – erst die technische Grundlage und dann die Anwendung. Jens Schmidt verglich das mit einer anderen Entwicklung: „Vor rund zehn Jahren haben Smartphones ihren Siegeszug angetreten. Die Vielzahl der dazugehörigen Apps kam erst danach.“

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