Trotz Corona erfolgreich für die Zukunft gewappnet

Die SWG-Aufsichtsratsvorsitzende Astrid Eibelshäuser sowie die beiden SWG-Vorstände Matthias Funk (Mitte) und Jens Schmidt präsentierten der Öffentlichkeit eine erfreuliche Bilanz für das Geschäftsjahr 2020.

Die Stadtwerke Gießen präsentieren für das Pandemiejahr 2020 erfreuliche Geschäftszahlen. Im Rahmen der Bilanzpressekonferenz am 13. Juli stellten die Aufsichtsratsvorsitzende und die beiden Vorstände das Unternehmensergebnis und eine Reihe wichtiger Projekte des vergangenen Jahres vor.

 

Die Stadtwerke Gießen (SWG) haben die ersten neun Krisenmonate sehr gut überstanden. Im vergangenen Geschäftsjahr erwies sich das Coronavirus als eine zentrale, doch beileibe nicht die einzige Herausforderung, der sich die SWG stellen mussten. Denn die Branche befindet sich nach wie vor in einem massiven Umbruch. Neben dem Tagesgeschäft und der Pandemie beherrschen zwei große Themen die Arbeit: die Energiewende, die mit jedem Jahr neue, innovative Lösungen erfordert, und die immer rasantere Digitalisierung. Die hält zwar überall in der Gesellschaft Einzug. Aber aufgrund ihrer exponierten Stellung als Betreiber kritischer Infrastruktur gilt es bei den SWG, vor jeder Einführung eines neuen Systems besonders akribisch vorzugehen und auch kleinste Details zu berücksichtigen. Schließlich steht die Sicherheit der Energieversorgung immer an erster Stelle.

„In Anbetracht dieser komplexen Gemengelage ist die Leistung der Stadtwerke Gießen nicht hoch genug zu bewerten“, findet Astrid Eibelshäuser, Vorsitzende des Aufsichtsrats der SWG. 

 

Ergebnis nach Steuern verbessert

Trotz dieser herausfordernden Gesamtsituation konnten die SWG im Geschäftsjahr 2020 rund 10,5 Millionen Euro Gewinn erwirtschaften und damit das Ergebnis des Vorjahres um etwa 1,5 Millionen Euro nach Steuern übertreffen. Das geht aus der Bilanz hervor, die Astrid Eibelshäuser, sowie die beiden SWG-Vorstände Matthias Funk und Jens Schmidt im Rahmen einer Pressekonferenz erläuterten. Die Ursachen für den Erfolg liegen vor allem im anhaltenden Bauboom und in der Tatsache, dass die SWG die Früchte ihrer Strategie „Konsolidieren und Optimieren“ ernten konnten. Zudem profitiert das Unternehmen jetzt von der umsichtigen Vorsorge in den Vorjahren. Dies versetzt die SWG in die Lage, coronabedingte Lasten des Jahres 2020 abzufedern und führte darüber hinaus zu einer verminderten Steuerzahlung. Die beeinflusst den tatsächlichen Gewinn maßgeblich.

„Natürlich sind wir zufrieden mit dem Ergebnis“, fasst Jens Schmidt, Kaufmännischer Vorstand der SWG, zusammen. Und Matthias Funk, Technischer Vorstand der SWG, ergänzt: „Wir möchten die Gelegenheit nutzten, um allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern für ihre außergewöhnliche Arbeit zu danken. Ein solches Ergebnis ist nur mit einer kompetenten und engagierten Mannschaft zu erreichen.“

Wie in den Vorjahren gehen 2,5 Millionen Euro als Ausschüttung an die Stadt Gießen. Den größten Teil der Erlöse aus 2020 nutzen die SWG, um die Energiewende und die digitale Transformation voranzutreiben und sich für pandemiebedingte Unwägbarkeiten zu rüsten. Aber um weiter erfolgreich zu bestehen, müssen die SWG auch in ihre Infrastruktur investieren – vor allem in ihre Strom-, Gas-, Wärme- und Wassernetze. Auf diesen Anlagen und Leitungen basiert das Geschäftsmodell. Darüber hinaus benötigen auch der ÖPNV und die Bäder finanzielle Mittel. 

Insgesamt 8,2 Millionen Euro werden als Rücklage eingestellt. „Wir wollen dieses Polster nicht aufbrauchen. Aber es lässt uns deutlich ruhiger an die zahlreichen bevorstehenden Aufgaben herangehen“, erklärt Jens Schmidt. Denn Fakt ist: Auch nach 15 Monaten Pandemie sind deren gesamtwirtschaftliche Folgen noch nicht abschätzbar. Deshalb lässt sich bislang nur prognostizieren, dass bei den SWG mit hoher Wahrscheinlichkeit weitere Einnahmen ausfallen. In welcher Höhe ist hingegen noch völlig offen.

Trotz dieser Unwägbarkeiten macht sich Astrid Eibelshäuser keine Sorgen um die SWG. „Offensichtlich ist das Unternehmen gut für die Zukunft aufgestellt“, fasst sie abschließend zusammen. Eine wichtige Kennzahl untermauert diese These: Für 2020 weisen die SWG eine Eigenkapitalquote von 38,5 Prozent aus. Ein sicheres Indiz für ein grundsolides Unternehmen.

 

In der Krise viel vorangebracht

Um die Gasnetze fit für die Zukunft zu machen, war das herausragende Projekt 2020 die Umstellung von L- auf H-Gas. Bei rund 21.000 Kundinnen und Kunden galt es, etwa 24.800 Gasgeräte auf die neue Erdgasqualität umzurüsten. Anders als die allermeisten Netzbetreiber ging die Stadtwerke-Tochter Mittelhessen Netz GmbH (MIT.N) die Angelegenheit in Eigenregie an. Statt überregional agierende Dienstleister zu engagieren, arbeiteten die Expertinnen und Experten der MIT.N mit hier ansässigen Fachbetrieben zusammen. „Es gehört zu unseren Grundsätzen, die Wertschöpfung in der Region zu halten, wenn immer es möglich ist“, begründet Matthias Funk die Entscheidung. Die hätte besser nicht ausfallen können. Denn tatsächlich verliefen beide Umstellungstermine – am 3. März und am 15. April 2020 – ohne nennenswerte Probleme. Und das, obwohl wesentliche Arbeiten für die Anpassung von weit über 19.000 Gasgeräten in den ersten Lockdown fielen. „Die ganze Mannschaft hat großartig funktioniert – von der Projektleiterin in der Lahnstraße bis zu den Monteuren in den Kellern der Kundinnen und Kunden“, lobt Jens Schmidt alle Beteiligten.

Stichwort Corona: Die SWG sind als Unternehmen, das kritische Infrastruktur vorhält, optimal auf Krisensituationen vorbereitet. Deshalb verwundert es auch nicht weiter, dass organisatorisch alles wie am Schnürchen lief. Im regelmäßig tagenden Krisenstab trafen die Verantwortlichen die nötigen Entscheidungen. Wie nicht anders zu erwarten, kam es pandemiebedingt zu einigen Einschränkungen. So mussten die SWG ihre Anlaufstellen im SWG-Kundenzentrum am Marktplatz und in der Lahnstraße sowie die Bäder vorübergehend schließen. Mit sinkenden Fallzahlen konnte das Freibad Ringallee zumindest pünktlich zu den Sommerferien Gäste empfangen. „Hier hat uns die Digitalisierung ein gutes Stück geholfen“, erinnert sich Matthias Funk. Um die behördlichen Auflagen erfüllen und die Besucherzahlen stets kontrollieren zu können, führten die SWG kurzerhand ein Online-Ticket ein. „Wer im Freibad ein paar schöne Stunden verbringen wollte, konnte sich seine Eintrittskarte für einen freien Zeitslot im Internet buchen“, erklärt Matthias Funk das Konzept.

Diese und einige andere durchaus erfreuliche Entwicklungen bei den SWG sollten allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, dass Corona auch wirtschaftlich betrachtet Spuren hinterlassen hat. Was sich am Beispiel der Bäder besonders gut zeigen lässt. Denn aufgrund der verspäteten Öffnung und behördlichen Vorgaben sanken die Besucherzahlen auf ein Drittel des Vorjahrs. Was sich zwangsläufig negativ auf die Einnahmen auswirkt. Dem gegenüber stehen wesentlich höhere Kosten. Etwa für die Anschaffung des Online-Buchungs-Tools, aber auch für mehr Personal im Freibad. Das war nötig, um dafür zu sorgen, dass sich alle an das Hygienekonzept halten.

 

Nahverkehr in der Pandemie

Der Nahverkehr war ebenfalls von der Pandemie betroffen. Und auch in diesem Sektor mussten die SWG starke Umsatzeinbußen verzeichnen. In den Monaten März und April reduzierten die Verantwortlichen die Zahl der Fahrten – zuerst galt durchgehend der Fahrplan für Wochenenden, später der Ferienfahrplan auch während der Schulzeit. Die Verstärkerbusse für die Studierenden blieben ständig im Depot. „Auf diese Weise haben wir auf die massiv eingebrochene Nachfrage reagiert, aber zu jeder Zeit dafür gesorgt, dass immer ausreichend Busse unterwegs waren“, bringt es Jens Schmidt auf den Punkt.

Genau an dieser Stelle bewährte sich die Software Vectura Analytics – ein Programm, das die SWG zusammen mit dem Beratungshaus Brodtmann Consulting entwickelt haben. Das intelligente Tool ermöglicht es, die Auslastung der verschiedenen Busse auf den unterschiedlichen Linien sehr gut zu prognostizieren. Seit Mai dieses Jahres stellen die SWG die Daten auch ihren Fahrgästen zur Verfügung: In einer Matrix lässt sich intuitiv ablesen, mit welcher Linie zu welcher Zeit viele oder eher weniger Menschen mitfahren. „Gerade wenn es gilt, Abstand zu halten, ist solch eine Information von großem Wert“, unterstreicht Jens Schmidt. Und ergänzt: „Aber auch im normalen Alltag ohne Infektionsgefahr profitieren unsere Fahrgäste von diesem neuen Service.“

Die SWG-Nahverkehrstochter kann ebenfalls Positives vermelden: Ende des Jahres 2020 ersetzte die MIT.BUS die sechs ersten Erdgas-Gelenkzüge durch Modelle der neuesten Generation. Selbstverständlich fahren diese Fahrzeuge – wie der Rest der Flotte – nahezu CO2-neutral mit Bio-Methan, brauchen darüber hinaus aber deutlich weniger Kraftstoff als ihre Vorgänger. „Wir verfolgen unsere Strategie konsequent und reduzieren den Energiebedarf und damit den Schadstoffausstoß unserer Busse immer weiter“, erklärt Matthias Funk.

 

Die Pandemie als Treiber

Bereits Mitte 2020 begannen die SWG mit dem Aufbau eines LoRaWAN. Die Abkürzung steht für Long Range Wide Area Network. Dahinter verbirgt sich ein Funknetz, über das Daten sehr effizient ausgetauscht werden können. Einige Gießener Schulen nutzen die Technik inzwischen, um den CO2-Gehalt in der Raumluft zu messen. Sensoren sammeln die entsprechenden Informationen und übermitteln sie an einen Server bei den SWG. Wird ein kritischer Wert überschritten, sendet der zentrale Rechner ein Signal, das zum Lüften auffordert. Diese vergleichsweise einfache Technologie kann beim Kampf gegen die Pandemie in Schulen helfen. Denn weil CO2, genau wie die Viren, über die menschliche Atmung in die Raumluft gelangt, gilt der Kohlendioxidgehalt als Indikator für die potenzielle Virenbelastung.

Darüber hinaus bietet LoRaWAN zahlreiche weitere Anwendungsmöglichkeiten. Von der Parkraumüberwachung über die Kontrolle der Füllstände von Abfallbehältern bis zur Messung der Feuchtigkeit in Pflanzkübeln. Üblicherweise braucht es nicht einmal einen Stromanschluss. Denn die allermeisten der obendrein auch noch vergleichsweise günstigen LoRa-Sensoren arbeiten mit Batterien. Das macht ihren Einsatz auch an abgelegeneren Stellen möglich. „Kommunen und Unternehmen können von der LoRaWAN-Technologie profitieren“, weiß Matthias Funk. Und kündigt an: „Deshalb bauen wir das Netz in den kommenden Monaten und Jahren immer weiter aus.“

 

Die Energiewende vor Ort vorantreiben

In der Wärmeerzeugung erreichten die SWG im vergangenen Jahr einen weiteren wichtigen Meilenstein. Die TREA 2, ein wahrscheinlich weltweit einzigartiges und hocheffizientes Heizkraftwerk, das hochkalorische Abfälle in Wärme und Strom verwandelt, ging Ende 2020 in den Regelbetrieb. Bereits im September bescheinigten Experten des TÜV Hessen nach aufwendigen Checks die Sicherheit des Gesamtsystems.

Neben den Sektoren Strom und Wärme spielt auch der Verkehr eine maßgebliche Rolle für die Energiewende. Folgerichtig haben sich die SWG auch hier engagiert und neue Produkte für ihre Marke E-Revolution entwickelt. Das Portfolio, bestehend aus Wallboxen, Solaranlagen und Stromspeichern, wird seit April durch einen praktischen E-Roller zu exklusiven Konditionen ergänzt. „Gerade im städtischen Verkehr sehen wir großes Potenzial für elektrisch betriebene Zweiräder“, begründet Jens Schmidt die Ergänzung des Angebots.

Das SWG-Tochterunternehmen smartSTADTwerke lieferte einen weiteren wichtigen Beitrag zur Verkehrswende: Seit Anfang 2021 macht der Ladeverbund E-Tanken das Aufladen von E-Fahrzeugen komfortabel. Dabei ist praktische E-Tanken-App der Dreh- und Angelpunkt. Sie dient zum Öffnen der Ladesäulen und als Wegweiser zum nächsten Ladepunkt. Zudem können Kundinnen und Kunden über die App alle Abrechnungen einsehen.

 

Um die Energiewende und den Klimaschutz voranzutreiben, steht bei den SWG seit jeher die Suche nach Innovationen auf der Agenda. Deshalb arbeiten die Expertinnen und Experten der verschiedenen Fachabteilungen eng mit unterschiedlichen Forschungseinrichtungen – allen voran mit der Technischen Hochschule Mittelhessen – zusammen. „Die seit vielen Jahren gepflegte Partnerschaft erweist sich immer wieder für beide Parteien als Gewinn“, freut sich Matthias Funk.

 

Politische Vorgaben

Wie in den Jahren zuvor, mussten sich die SWG auch im abgelaufenen und aktuellen Geschäftsjahr mit verschiedenen politischen Vorgaben des Bundes auseinandersetzen. Zum Beispiel galt es, die Anforderungen des Netzausbaubeschleunigungsgesetzes zu erfüllen. Damit sich mehr volatile Energie aus Wind und Sonne nutzen lässt, sollen Verteilnetzbetreiber künftig stärker zur Stabilisierung der Stromnetze beitragen. Dafür braucht es neue Technik und vor allem andere Prozesse. Um all das aufzubauen, haben SWG und MIT.N das Projekt Redispatch 2.0 aufgesetzt. Wie schon bei der Erdgasumstellung, verzichteten die beiden Unternehmen – anders als bei ihrer Größe üblich – auf externe Spezialisten und erledigten die Angelegenheit in Eigenregie.

Eine andere Vorgabe aus Berlin hat sich sehr viel direkter auf das Geschäft der SWG ausgewirkt: die Bepreisung von CO2 im Rahmen des Brennstoffemissionshandelsgesetzes (BEHG). Aufgrund dieses neuen Aufschlags kamen die SWG nicht umhin, ihre Preise für Erdgas und Fernwärme mit dem Jahreswechsel anzuheben. Dass die Politik mit dem BEHG schon jetzt festlegt, um wie viel fossile Brennstoffe künftig teurer werden, bedeutet für die Kundinnen und Kunden absehbar weitere Preisrunden. „Wir arbeiten hart daran, dieser Entwicklung bestmöglich und im Sinne unserer Kundschaft zu begegnen. Etwa indem wir den Anteil der regenerativen Brennstoffe bei der Erzeugung unserer heute schon hoch effizienten Fernwärme spürbar erhöhen“, erklärt Jens Schmidt die Situation.

 

Blick nach vorn

Die Stadtwerke Gießen halten Kurs – trotz aller Unwägbarkeiten, die sich vor allem aus der Pandemie ergeben. Gerade vor diesem Hintergrund sehen die beiden Vorstände die konsequente Optimierung von Prozessen und Strukturen bei den SWG als die zentrale Aufgabe. „Wir möchten unsere Stärken weiter ausbauen“, kündigt Jens Schmidt an. Die Chancen, dieses Ziel zu erreichen, stehen gut. „Unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern haben bewiesen, dass sie sich schnell an neue Situationen anpassen und eine maximale Leistung abrufen. Deshalb bin ich sicher, dass wir uns auch weiterhin Stück für Stück verbessern und unsere Arbeit noch effizienter erledigen.“ Und das bezieht er nicht nur auf die internen Abläufe, sondern auch auf die zahlreichen Erzeugungsanlagen. „Wir werden noch stärker als bisher auf innovative Lösungen setzen. Um den Einsatz fossiler Energieträger weiter zu reduzieren, die CO2-Emissionen spürbar zu senken und so einen entscheidenden Beitrag zur Energiewende vor Ort und zum Klimaschutz zu leisten.“

Wie schon 2019 fällt den beiden erfahrenen Energiemanagern eine Prognose zur Geschäftsentwicklung zum Zeitpunkt der Präsentation der Bilanz schwer. „Aktuell wagen wir noch keine Vorhersagen, wie sich die Wirtschaft und damit natürlich auch unser Geschäftsverlauf entwickeln“, gibt Jens Schmidt zu bedenken. Deshalb fahren die Stadtwerke Gießen wohl auch in den kommenden Monaten ein Stück weit auf Sicht. „Wir haben in der Vergangenheit bewiesen, dass wir agil auf Veränderungen reagieren können. Diese Fähigkeit wird uns helfen, die Krise zu überstehen und gestärkt aus ihr herauszukommen.“

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