Mehr als 34.000 Erdgasanlagen umgestellt

Haben sich um die Erdgasumstellung in Gießen gekümmert: Projektleiterin Birte Vermehren, Rüdiger Schwarz, Geschäftsführer der Mittelhessen Netz GmbH (vorn rechts), sowie das Projektteam Jannik Faulstich (oben links), Wolfgang Döring (Mitte) und Nico Weber.

Rund fünf Jahre arbeiteten Experten der Mittelhessen Netz GmbH daran, ihr Erdgasnetz von L- auf H-Gas umzustellen. Seit letzter Woche ist dieses vom Umfang her einzigartige Projekt abgeschlossen.

Die Mittelhessen Netz GmbH (MIT.N), ein Tochterunternehmen der Stadtwerke Gießen, hat ein Jahrhundertprojekt erfolgreich zum Abschluss gebracht: Bereits seit Mitte April strömt Erdgas der Qualität H durch ihr gesamtes Netz. Der in der Region neue Brennstoff hat einen etwas höheren Energiegehalt als das bislang gelieferte L-Gas. Eben diese Erhöhung des Brennwerts stellte die MIT.N vor eine logistische Herausforderung: Es galt, insgesamt gut 34.000 Erdgasgeräte auf die neue Gasart umzurüsten. „Für viele dieser Anlagen hatten wir nur ein sehr knappes Zeitfenster von wenigen Tagen“, erinnert sich Birte Vermehren, bei der MIT.N für das Projekt verantwortlich. Andere Gasgeräte kommen besser mit dem höheren Brennwert zurecht. Deshalb zogen sich die letzten Anpassungen planmäßig bis Mitte Juli hin.

Auslöser dieses Mammutprojekts, mit dessen Planung die Spezialisten aus der Lahnstraße schon 2015 begannen, war nicht etwa eine Initiative der MIT.N. Die flächendeckende Umstellung auf H-Gas ist die Reaktion auf zur Neige gehende L-Gas-Vorkommen und die Ankündigung der Niederlande, ihre Produktion bis 2030 einzustellen. Folgerichtig müssen alle Netzbetreiber, durch deren Leitungen niederländisches Erdgas strömt, rechtzeitig dafür sorgen, dass alle angeschlossenen Anlagen H-Gas sicher verarbeiten können. Bundesweit waren und sind etwa 4,5 Millionen Haushalte von den damit verbundenen Umrüstungen betroffen. Letztendlich lohnt sich der Aufwand aber. Denn die Umstellung sichert die Erdgasversorgung auf Jahrzehnte. Nicht nur, weil die weltweiten H-Gas-Vorkommen enorm sind, sondern auch, weil sie sich relativ weit über den Globus verteilen. Eben dies macht ein Stück weit unabhängig von geopolitischen Entwicklungen.

Alles in Eigenregie

Anders als bislang andere Netzbetreiber setzte die MIT.N von Anfang an darauf, hier ansässige Fachbetriebe in das Projekt einzubeziehen. Aus einem wichtigen Grund: „Unser Ziel war es, die Wertschöpfung in der Region zu halten“, erklärt Rüdiger Schwarz, Geschäftsführer der MIT.N. Die Entscheidung, die Erdgasumstellung in Eigenregie zu koordinieren, erwies sich im Nachhinein auch aus einem weiteren Aspekt als vorteilhaft. Bis auf wenige Ausnahmen lief alles rund. Nicht zuletzt deshalb, weil wichtige Informationen auf kürzestem Weg zu Birte Vermehren und ihren Kolleginnen und Kollegen gelangten. Denn bei der MIT.N war neben dem technischen Projektmanagement auch das Erdgasbüro angesiedelt. „Dieser direkte Draht zu den Kundinnen und Kunden sowie den Anpassungsdienstleistern verschaffte uns die Möglichkeit, schneller auf sich abzeichnende Probleme zu reagieren und sie teilweise schon im Vorfeld abzuwenden“, ist sich Birte Vermehren sicher.

Drei Schalttermine

Die Umstellung war sowohl räumlich als auch zeitlich in drei Abschnitte unterteilt. Schon im September 2019 erhielt Staufenberg das neue Erdgas. Anfang März 2020 folgten große Teile der Stadt Gießen sowie die Nachbarkommunen Heuchelheim und Lahnau. Mitte April vollzog die MIT.N schließlich die Umstellung in den verbliebenen Gießener Stadtteilen sowie in Buseck, Fernwald, Linden, Pohlheim und Reiskirchen. Dank gründlicher Vorarbeit kam es an keinem der drei Schalttermine zu nennenswerten Zwischenfällen.

Wie bei einem Projekt dieser Größenordnung nicht anders zu erwarten, ließen sich nicht alle Schwierigkeiten vermeiden. So hatte die MIT.N bei einigen Kundinnen und Kunden keinen rechtzeitigen Zugang zu den Gasgeräten. Weil ein solches Projekt klaren technischen und gesetzlichen Regeln unterliegt, gab es in diesen Fällen für die MIT.N keine andere Option, als eine Sperrung des Anschlusses anzudrohen und vereinzelt tatsächlich zu vollziehen. Der Grund für diese drastisch anmutenden Maßnahmen ist einfach: die Gewährleistung der Sicherheit für Leib und Leben. Denn einige Geräte, die für den Betrieb mit L-Gas konstruiert sind, können durch die Befeuerung mit H-Gas zur echten Gefahr werden. „Genau das mussten wir um jeden Preis verhindern“, begründet Rüdiger Schwarz das Vorgehen. Von diesen seltenen Problemfällen abgesehen, hat die Erdgasumstellung in Gießen und den benachbarten Kommunen reibungslos funktioniert. „Ohne die Unterstützung unserer Kundinnen und Kunden wäre es nicht denkbar gewesen, ein solches Projekt zu bewältigen“, weiß Rüdiger Schwarz. „Deshalb möchte ich mich an dieser Stelle ausdrücklich für das Verständnis und die uns immer wieder entgegengebrachte tatkräftige Hilfe bedanken.“

Ebenfalls erwähnenswert: die ruhige und bedachte Gelassenheit, mit der die allermeisten Kundinnen und Kunden die Termine für die Anpassung der Gasgeräte im April angingen. Denn diese fielen in den Zeitraum, in dem die Behörden über ganz Deutschland den Corona-Lockdown verhängten. „Natürlich haben wir ein schlüssiges Hygienekonzept erarbeitet und genehmigen lassen. Aber dass wir so gut durchkommen, konnte sich zu Beginn der Pandemie niemand von uns vorstellen“, erinnert sich Birte Vermehren. Denn gerade wegen des Lockdowns waren viele zu Hause. Das führte dazu, dass die vorgeschlagenen Termine besser als je zuvor eingehalten werden konnten.

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