Innovationskraft aus starken Wurzeln

Jens Schmidt, kaufmännischer Vorstand der Stadtwerke Gießen, Astrid Eibelshäuser, Aufsichtsratsvorsitzende und Matthias Funk technischer Vorstand der Stadtwerke Gießen (von links nach rechts) bei der Bilanzpressekonferenz.

Das Fortschreiten der Energiewende, die zunehmende Digitalisierung und ein Wandel der Verbraucherbedürfnisse – die Stadtwerke Gießen beschreiten zielstrebig ihren Weg vom reinen Energieversorger zum Dienstleister für Energie und Lebensqualität in der Region. Auf der Bilanzpressekonferenz am 21. Juni blickten die Verantwortlichen zurück auf ein herausforderndes Jahr und präsentieren Perspektiven für die Zukunft.
 
Mit neuen Lösungen und Innovationsbereitschaft beschreiten die Stadtwerke Gießen (SWG) ihren Weg in die Zukunft. Vor dem Hintergrund von Energiewende, Digitalisierung und sich änderndem Verbraucherverhalten müssen sich die SWG wie alle Energieunternehmen großen Herausforderungen stellen. Mit der Bereitschaft, neue Wege einzuschlagen und in moderne Techniken zu investieren, sind die Weichen in Richtung Zukunft gestellt. Wie sich die SWG gleichzeitig als regional verwurzeltes Unternehmen gesellschaftlich in Gießen und der Region engagieren, präsentierten die Vorsitzende des Aufsichtsrats Astrid Eibelshäuser sowie die beiden Vorstände Matthias Funk und Jens Schmidt bei der Bilanzpressekonferenz am 21. Juni im Hauptgebäude der Stadtwerke Gießen.
Trotz der gewaltigen Umwälzungen auf dem Energiemarkt legte das Unternehmen erneut positive Zahlen für das Geschäftsjahr 2017 vor. Wie bereits im Vorjahr prognostiziert, ging der Jahresüberschuss im Vergleich zu 2016 zurück. Am Ende steht jedoch wieder ein deutliches Plus von rund 3 Millionen Euro. Hiervon schütten die Stadtwerke Gießen wie im vergangenen Jahr 2,5 Millionen Euro an die Stadt Gießen – die Eigentümerin der SWG – aus.
 
Umsatzrückgang bei Strom und Gas
Unter anderem ist für das gesunkene Ergebnis ein Umsatzrückgang bei Strom und Gas ausschlaggebend.
Im Vergleich zum Vorjahr ging der Stromabsatz auf  1.453 Gigawattstunden (GWh) zurück, der Brutto-Umsatzerlös reduzierte sich um knapp 11 Prozent auf 284 Millionen Euro. Mit fast 70 Prozent trägt der Stromsektor allerdings nach wie vor den Löwenanteil zum Konzernumsatz bei.
Auch im Bereich Erdgas kam es im Jahr 2017 zu einem Absatzrückgang. Um 4,6 Prozent sank der Absatz auf 1.035 GWh bei einem Umsatz von 58 Millionen Euro.
Der Absatz im Geschäftsbereich Wärme hielt sich hingegen weitgehend konstant. Mit 453 GWh sank der Absatz um nur 0,6 Prozent. Der Umsatz in dieser Sparte lag fast konstant bei 37 Millionen Euro.
 
Strategische Ausrichtung
Durch die konsequente Umsetzung ihrer strategischen Ziele haben die SWG bereits in den vergangenen Jahren den Wandel angestoßen, den die Veränderungen auf dem Energiemarkt einfordern. Mit regelmäßigen Prüfungen stellt das Führungsteam des Konzerns sicher, dass die strategischen Zielsetzungen an Änderungen im Umfeld angepasst werden können.  „Wir haben bereits in der zweiten Jahreshälfte 2016 eine Strategieinventur vorgenommen, in deren Rahmen wir die Basis der Unternehmensstrategie kritisch hinterfragt haben. In diesem Jahr werden wir die Strategie SWG 2020 überarbeiten und mit neu formulierten Zielsetzungen in die Strategie SWG 2025 überführen“, erklärte Jens Schmidt, Kaufmännischer Vorstand der SWG. Matthias Funk, Technischer Vorstand der SWG, ergänzte: „Die Optimierung der technischen und ökonomischen Prozesse wird dabei im Mittelpunkt der kommenden Jahre stehen. Und auch die Digitalisierung wird uns weiter beschäftigen – nicht zuletzt durch das Gesetz zur Digitalisierung der Energiewende und das Messstellenbetriebsgesetz.“
 
Lebensqualität verbessern
Als regional fest verankertes Unternehmen, ist auch gesellschaftliches und soziales Engagement ein zentraler Punkt der Unternehmensstrategie. Jens Schmidt führt aus: „Mit zahlreichen Sponsoringaktivitäten in der Region leisten wir einen wichtigen Beitrag zur Entwicklung der Gesellschaft und der Stadt.“ So richten die SWG beispielsweise mit ihrem im vergangenen Jahr neu ins Leben gerufenen Sponsoringkonzept „Spiel Dein Spiel“ ihr Engagement für den Sport neu aus. Statt sich wie bisher hauptsächlich für den Spitzensport in Gießen und den umliegenden Kommunen zu engagieren, wollen die SWG künftig vor allem die so wichtige Nachwuchsarbeit in Vereinen und Einrichtungen unterstützen. „Wir legen den Fokus mit ,Spiel Dein Spiel’ deutlich stärker auf die Jugend im Breitensportbereich, denn gerade hier braucht es finanzielle Unterstützung“, erklärte Jens Schmidt auf der Bilanzpressekonferenz. „Spiel dein Spiel“ – der Name des neuen Sponsorings der SWG – fasst das neue Konzept treffend zusammen. Die Idee dahinter: Kinder dabei zu unterstützen, sich spielerisch zu bewegen, und Jugendlichen eine sportliche Entwicklung zu ermöglichen. Dabei fokussieren sich die SWG nicht auf eine Sportart oder auf Vereine. Auch Schulen oder Privatinitiativen, die Kindern die Chance geben, organisiert Sport zu treiben, möchte das Unternehmen fördern.
 
Sportlicher Ausbau im Schwimmbad

Mit einem besonderen Konzept hinter einem noch relativ außergewöhnlichen Projekt bauten die SWG im vergangenen Jahr zudem die sportlichen Möglichkeiten des Schwimmbads in der Ringallee weiter aus. Das schwedische Sport-Konzept Actic Fitness überzeugte die Stadtwerke Gießen, 21 weitere Schwimmbadbetreiber in Deutschland und europaweit schon Tausende Mitglieder. Das Besondere an Actic Fitness ist die hohe Qualität von Ausstattung und Trainingsbetreuung. Für das Krafttraining an Maschinen kommen hochwertige Geräte der neuesten Generation aus den USA zum Einsatz, die natürlich regelmäßig durch aktuelle ersetzt werden. Wer mit freien Hanteln trainiert, bewegt schwedische Top-Produkte, die auch Gewichtheber bei Olympischen Spielen oder Weltmeisterschaften zur Hochstrecke bringen. Im Kardiobereich stehen Fahrrad-, Ruder- und Skilanglauf-Ergometer, Spinning-Bikes, Crosser und Laufbänder verschiedener namhafter Hersteller. Und auch auf die Qualität der Trainer legen die Betreiber von Activ Fitness besonderen Wert.
 
Technisch auf dem neusten Stand
Fit für die Zukunft ist auch die Netzsteuerung der SWG. Mit einer neuen zentralen Netzleitstelle investieren die SWG in mehr Sicherheit der rund 100.000 Kunden, die sie mit Erdgas, Wasser, Fernwärme und Strom beliefern. Denn um eine sichere Versorgung zu gewährleisten, braucht es zwei Dinge: gut ausgebaute Netze und die Möglichkeit, eben diese Leitungen und die darin integrierten Anlagen zu überwachen und zu steuern. Genau zu diesem Zweck haben die SWG im vergangenen Jahr eine neue zentrale Netzleitstelle aufgebaut und in Dienst genommen.
Hinter der mit modernster Technik ausgestatteten Leitwarte steckt eine völlig neue Organisation. Bislang war es bei den SWG Usus, eine Leitstelle für das Fernwärmenetz und eine zweite für die Strom-, Erdgas- und Wassernetze zu unterhalten. „In der Vergangenheit hatte das durchaus seine Berechtigung. Aber die neue Energiewelt erfordert von allen Akteuren auf dem Markt mehr Flexibilität“, begründet Jens Schmidt die Entscheidung.
Tatsächlich unterscheidet sich die Überwachung eines Fernwärmenetzes von der eines Strom-, Gas- oder Wassernetzes. Denn im Bereich Fernwärme gilt es vor allem, die vielen verschiedenen Erzeugungsanlagen im Blick zu haben und aufeinander abzustimmen. In den drei anderen Sparten geht es im Wesentlichen darum, den sicheren Transport aufrecht zu erhalten. Trotzdem lassen sich diese verschiedenen Aufgaben sehr gut in einer zentralen Netzleitstelle erledigen. Genau genommen sogar besser. Denn die neue Organisation ermöglicht es, die Netzleitstelle mit dem gleichen Personal rund um die Uhr zu besetzen. „Wir gehen davon aus, dass wir künftig speziell beim Strom deutlich öfter eingreifen müssen, das erfordert einen effizienteren Personaleinsatz. Auslöser dafür sind die Energiewende und der Klimawandel. Weil immer mehr Strom aus erneuerbaren Energiequellen ins deutsche Stromnetz gelangt, müssen die Spezialisten in den Leitwarten immer schneller reagieren, um die damit verbundenen Schwankungen auszugleichen“, erklärte Matthias Funk auf der Bilanzpressekonferenz.  Zudem verschärfen die offenbar zunehmenden Wetterextreme die Situation in einer Netzleitstelle.
Einen weiteren Schritt nach vorn in Sachen Sicherheit machen die SWG durch die Einführung eines Informationssicherheits-Managementsystems (ISMS). Zum Schutz ihrer kritischen Infrastrukturen haben die SWG ein eigens ISMS aufgebaut. Im Dezember 2017 wurde es ISO-zertifiziert. „Mit dem neuen System tragen wir Sorge dafür, dass wir gegen Hackerangriffe und Cyberkriminalität bestmöglich gerüstet sind. Gerade im Bereich der Netzsteuerung ist das ein zentraler Punkt für eine sichere Energieversorgung“, zeigte sich Matthias Funk, Technischer Vorstand der SWG bei der Bilanzpressekonferenz zufrieden.
 
Umstellung in Eigenregie
Ihren eigenen Weg beschreiten die SWG auch in Sachen Umstellung von L- auf H-Gas. Aktuell nimmt hier das größte Infrastrukturprojekt in der Firmengeschichte der SWG-Netztochter Mittelhessen Netz (MIT.N) Fahrt auf. Auslöser für das Mammutprojekt, das deutschlandweit Millionen Heizungen betrifft, ist die Ankündigung der Niederlande, bis 2030 die Förderung von Erdgas einzustellen.
Die entstehende Versorgungslücke lässt sich zwar leicht mit Erdgas aus anderen Quellen decken. Aber dieses sogenannte H-Gas hat einen höheren Brennwert, was eine technische Anpassung der Heizungen erfordert. Deshalb arbeiten aktuell auch die MIT.N und die SWG daran, alles so vorzubereiten, dass die nötige Umstellung im nächsten und übernächsten Jahr reibungslos über die Bühne gehen kann. Als bundesweit einziges Unternehmen gehen MIT.N und SWG bei der Erdgasumstellung einen eigenen Weg. Anders als alle Mitbewerber arbeiten sie mit regionalen Betrieben zusammen, statt ausschließlich die von der Branche organisierten und eingesetzten Spezialteams zu nutzen. „Das macht zwar mehr Arbeit und wirft natürlich auch das eine oder andere Problem auf. Aber alles in allem fahren wir damit besser“, erklärt Matthias Funk. Durch die Eigenregie im technischen Projektmanagement, sind die Verantwortlichen immer auf dem aktuellen Stand. Eigentlich ein Muss, aber bei vielen anderen Unternehmen, die nur auf externe Dienstleister setzen, eben nicht der Fall.
„Das Jahrhundertprojekt kommt gut voran. Die Zusammenarbeit mit den engagierten Firmen hat sich eingespielt und bislang stoßen die Experten weitgehend auf verständnisvolle Kunden, die sie bei ihrer Arbeit unterstützen“, berichtete Matthias Funk vom bisher positiven Projektverlauf.
 
SWG setzt auf alternative Mobilität
Auch in Sachen Mobilität haben die SWG die Zukunft fest im Visier. Dabei setzen Sie auf einen bedarfsorientierten Mix von Antriebskonzepten. Neben Dieselmotoren setzt die SWG-Tochter „MIT.BUS“ beim Ausbau des Fuhrparks auf Erdgas und hat bereits im Jahr 2017 vier Gelenkbusse angeschafft, die mit Erdgas betrieben werden. Es ist geplant, den Fuhrpark bis ins Jahr 2030 um jährlich durchschnittlich vier weitere Busse mit Erdgasantrieb auszubauen.
Doch auch das Thema Elektromobilität spielt künftig eine immer größere Rolle. So planen die SWG beispielsweise die Realisierung von „Ladenden Laternen“ im Gießener Stadtgebiet. Straßenlaternen sollen bei diesem Projekt zu Ladestationen für Elektrofahrzeuge ausgebaut werden. Matthias Funk erklärte auf der BPK: „Gemeinsam mit den Kommunen müssen wir prüfen, an welchen Stellen sinnvoll Ladestellen platziert werden können. Danach werden die entsprechenden Laternen umgebaut, um das Aufladen der Elektromobile zu ermöglichen.“ Da immer mehr Menschen auch elektrisch unterwegs sind, ist ein Ausbau der Ladeinfrastruktur ein notwendiger Schritt.
 
Vom Energieversorger zum Dienstleister

Das Engagement für eine elektromobile Zukunft ist nur ein Beispiel dafür, wie die SWG ihren Weg hin zum serviceorientierten Dienstleister beschreiten. „Es geht mittel- und langfristig unter anderem darum, moderne Servicedienstleistungen rund um Energie, Freizeit und Mobilität voranzubringen. Hierbei spielen innovative Ideen und die Digitalisierung eine entscheidende Rolle“, betonte Jens Schmidt, Kaufmännischer Vorstand der SWG. Ein weiteres Beispiel für das neue Rollenverständnis als Dienstleistungsunternehmen: Mit dem RasenRobo haben die SWG nach erfolgreicher Testphase zum Jahresbeginn 2018 erfolgreich ihre Aktivität in einem neuen Geschäftsfeld gestartet. Bereits jetzt wurden 14 der Mähroboter installiert – 32 weitere feste Zusagen warten auf die Realisierung. „Wir sehen besonders bei größeren öffentlichen Rasenflächen Potenzial für den Rasenroboter, beispielsweise in Schulen, Kindergärten und Parkanlagen“, zeigte Matthias Funk die Perspektiven für das neue Produkt auf. Parallel zu den Investitionen in neue Geschäftsbereiche, investieren die SWG weiterhin in ihre Kerngeschäftsfelder Strom, Erdgas, Wasser und Wärme. „Unser festes Fundament gibt uns die notwendige Stärke, Veränderungen anzustoßen. Pflege und Ausbau des Kerngeschäfts gehört für uns genauso zur Strategie wie das Einschlagen neuer Wege“, betonte Jens Schmidt. Mit der Inbetriebnahme der zweiten Thermischen Reststoffbehandlungs- und Energieverwertungsanlage (TREA 2) setzen die SWG in den Kerngeschäftsfeldern Strom und Wärme weiter auf den Ausbau klimaschonender Stromerzeugung in eigenen Anlagen. In diesem Monat haben die SWG den Probebetrieb der Anlage aufgenommen. Die Überführung in den Regelbetrieb soll bis Dezember 2018 erfolgen. Im Endausbau wird die TREA 2 den Wärmebedarf von bis zu 4.200 Einfamilienhäusern sowie den Strombedarf von rund 13.500 Durchschnittshaushalten decken und den CO2-Ausstoß gegenüber der herkömmlichen Energieerzeugung um jährlich rund 28.000 Tonnen senken. Darüber hinaus stammt der Brennstoff – aufbereiteter Abfall – aus der Region. „Die Gesamtanlage ist extrem variabel. Wir können mit ihr ganz flexibel auf den jeweiligen Strombedarf beziehungsweise die aktuelle Marktsituation reagieren und so besonders wirtschaftlich elektrische Energie erzeugen“, fasst Matthias Funk einen weiteren wesentlichen Vorteil zusammen. Flexibilität und Wirtschaftlichkeit – zwei Eigenschaften, die nicht nur für den Erfolg von TREA II, sondern auch für den gesamten Konzern entscheidende Faktoren sein werden.

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